3 Fragen an das C.IAS Team
Roberta Maierhofer
1. Können Sie nähere Einblicke in Ihre Rolle als Leiterin des Zentrums für Inter-Amerikanische Studien geben?
Als Leiterin einer universitären Einheit wie des CIAS unterliegt man strukturellen und inhaltlichen Hierarchien, die Vorgaben einfordern, Aufgaben definieren, Termine und Fristen festlegen, strategische Schwerpunkte bestimmen und somit auch den Gestaltungsfreiraum einer Einheit maßgeblich bestimmen. Dennoch ist es möglich, gemeinsam im Team Schwerpunkte in Forschung und Lehre zu setzten, Projekte zu planen und das Zentrum als eine interdisziplinäre wissenschaftliche Einrichtung zu gestalten. Wenn man die Position einer solchen Leitung als Management des gemeinsamen Gestaltens wahrnimmt, dann geht es darum in den doch eng-gesetzen Vorgaben eines universitär-administrativen Betriebs Möglichkeiten für kreative Partizipation und für das Mit-Gestalten im größeren Rahmen einer wissenschaftlichen Einrichtung zu erkennen, auszuloten und im Team umzusetzen. Es ist eine gemeinsame Anstrengung aller, die erst ein erfolgreiches wissenschaftliches Arbeiten ermöglicht. Ein hoher administrativer Aufwand erlaubt es nicht immer, kreative Ansätze und innovative Ideen umzusetzen, aber – um ein berühmtes Zitat zu bemühen – „Do or do not. There is no try.“
2. Inwiefern prägt Ihre langjährige Erfahrung als Leiterin des Zentrums Ihre Herangehensweise an interdisziplinäre Fragestellungen, insbesondere im Bereich der (Inter)-Amerikanischen Literatur- und Kulturstudien sowie Genderforschung?
Wissenschaftliches Engagement hat zwei Aufgaben, die oft im Widerspruch zu einander stehen. Einerseits geht es um die Archivierung von Wissen, das Bewahren des bereits Erforschten, die historische Anerkennung der Schultern von anderen, auf denen wir stehen, sowie um die Weitergabe des Wissens an nachfolgende Generationen. Andererseits ist Wissenschaft auch das In-Frage-Stellen des vorhandenen Wissens, der Grundlagen des Status-Quo, und das Verschieben von Grenzen, um Neues zu entdecken und diese innovativen Erkenntnisse wissenschaftlich zu verankern. Da Wissenschaft immer auch Einordnung in das bereits Bestehende ist, sind neue Fragestellungen wichtig, um auftretende Probleme zu überwinden. In diesem Sinn geht es nicht um isolierte Antworten, sondern darum, sich mit neuen Zugängen in bestehende Disziplinen einzuordnen, um diese so zu aktualisieren. Bisweilen führen diese neuen Zugänge auch zu neuen Wissenschaftsstrukturen. So hat etwa meine Arbeit im Bereich der Alternswissenschaften seit den 1990ern zur Gründung eines neuen Zentrums geführt; die vor meiner Zeit in den 1970ern etablierte Amerikanistik hat die Gründung des CIAS mitbedingt. In diesem Sinne lässt meine Erfahrung die Wissenschaft als Prozess verstehen, der auf bestehendem Wissen aufbaut und dieses gleichzeitig durch Forschung verändert, was die Arbeit im neu begründeten Bereich der Interamerikanistik besonders deutlich sichtbar macht.
3. Welche Initiativen und Programme haben Sie als Leiterin des Zentrums eingeführt, um transatlantische Bildungskooperationen zu fördern, und wie tragen diese zur interkulturellen Verständigung bei?
Ausgehend von einem Verständnis des Kontinents Amerika in seinen kulturellen, historischen, sozialen und politischen Verwicklungen und seiner Amerikanität beschäftigen wir uns am Zentrum für Inter-Amerikanischen Studien genau mit der Analyse von Gemeinsamem und Verschiedenem aus einer raum-zeitlichen Perspektive. Mit einem Schwerpunkt auf Forschungskooperationen und interdisziplinären Forschungsprojekten bieten wir das CIAS als Plattform der wissenschaftlichen Begegnungen an, die uns erlauben, gemeinsam mit anderen im globalen Kontext die Herausforderungen unserer Zeit wissenschaftlich zu behandeln und das dabei generierte Wissen an unsere Studierenden zu vermitteln, damit diese dann die Aufgabe als ihre aufnehmen und weiterführen. Als Beispiele für solche Begegnungsplattformen anzuführen sind die Graz International Summer School Seggau, unser Programm mit der University of Pittsburgh zu Comparative Healthcare oder auch unsere EU-Projekte zu Eco-Storytelling for Building a Climate-Just Future, wo jeweils wichtige Forschungsfragen gestellt werden, aber auch interkulturelle Zusammenarbeit praktiziert wird.
Nicole Haring
1. Sie haben vor kurzem promoviert. Könnten Sie uns einen Einblick in Ihre aktuellen Forschungsprojekte am Zentrum für Inter-Amerikanische Studien geben und wie diese Projekte zu Ihrem Fachgebiet in Inter-Amerikanischer Literatur, feministischer Theorie und Gender- und Alternswissenschaften beitragen?
Derzeit beschäftige ich mich mit zwei Forschungsprojekten. Einerseits bin ich aktiv als Forscherin in dem Erasmus+ Projekt „EcoStories“ tätig, wo wir uns mit Fragen der Klimagerechtigkeit ausgehend von einem kritischen intersektionalen Blickwinkel und der narrativen und kreativen Methodenentwicklung für den Englisch-Spracherwerb beschäftigen. Hierfür ziehen wir aktuellen Forschungsansätze der intersektionalen Klimaforschung, des Eco-Kritizismus, sowie des Bereiches Multilingualismus und CLILL heran. Um dieses interdisziplinäre und internationale Projekt zu verwirklich, werden wir drei Jahre mit der Universität Ca’Foscari Venedig (Italien) und der Universität Malaga (Spanien), sowie drei Schulen in Italien, Spanien und Österreich zusammenarbeiten.
Das zweite Forschungsprojekt in dem ich tätig bin beschäftigt sich bereits seit 2021 mit dem Thema Inhaftierung, Lager, und Menschenrechte in den Amerikas. 2022 organisierte ich hier eine große internationale Konferenz gemeinsam mit Ao. Univ.-Prof. Roberta Maierhofer und Prof. Don Walicek (Universität Puerto Rico). Meine Forschung beschäftigt sich in dieser Thematik vor allem mit feministischen Theorien des Abolitionismus (abolition theory) und interamerikanischen und intersektionalen Ansätze der Vorstellung und kulturellen Repräsentation von Inhaftierung und des Gefängnisstaates in den Amerikas.
2. Wie hat Ihre Erfahrung beim Erwerb des Doktortitels Ihre Perspektive und Herangehensweise an Forschungsprojekte beeinflusst, insbesondere im Hinblick auf Ihre interdisziplinären Interessen und Ihr Engagement in den Bereichen Gender- und Alternsstudien?
Durch mein interdisziplinäres Doktoratsprojekt konnte ich meinen eigenen akademischen Horizont erweitern und Grenzen der Disziplinen austesten und durch meinen feministischen Forschungsansatz solche auch verschwimmen lassen. Internationale Projekte am Zentrum für Inter-Amerikanische Studien, wie zum Beispiel das ACT Projekt, Aging in Data, oder auch die Graz International Summer School haben zu diesem Fortschritt in meiner Arbeit einen wesentlichen Beitrag geleistet. Die Methodenentwicklung basierend auf interamerikanischen Ansätzen und Theorien haben es mir ermöglicht kritische Theorien in lokale Gegebenheit zu verhandeln. Genau das spricht für die Arbeit des Zentrums für Inter-Amerikanische Studien, die unsere Forschung heutzutage interdisziplinär und international vorantreiben kann.
3. Welche konkreten Schritte planen Sie in Ihrer zukünftigen Forschungstätigkeit am Zentrum für Inter-Amerikanische Studien?
Die nächsten konkreten Schritte sind die Veröffentlichung meiner Dissertation als Monographie mit Transcript Bielefeld (Ende 2024), sowie die Durchführung der internationalen Konferenz „Camps, Carceral Imaginaries, and Critical Interventions“ von 30. Mai bis 2. Juni 2024 an der Universität Graz. Diese Konferenz wird wieder Möglichkeiten für internationale Kooperationen und Folgeprojekte aufbieten auf die ich mich jetzt schon sehr freue.